Ein Reisebericht über eine Start-up Tour voller Erkenntnisse und Inspirationen  

Das Team zu Besuch beim Startup BRCK

Ostafrikas Gründerszene: jung, inspiriert, hoffnungsvoll – und mit einer Menge Problemen. Vor einigen Wochen waren zehn Studierende des KIT mit der studentischen Gründungsinitiative PionierGarage in Ostafrika, um dort in Austausch mit der lokalen Start-up-Szene zu treten. Die PionierGarage besteht mittlerweile seit zehn Jahren in Karlsruhe, hat ein Netzwerk aus Gründern, Investoren und Unterstützern aufgebaut und gibt viele Hilfestellungen, um Studierenden den Einstieg in die Gründerszene erleichtern. Zusätzlich fährt jedes Semester eine Gruppe in die Start-up-Zentren dieser Welt. Bisherige Touren gingen unter anderem ins Silicon Valley, nach Indien und China. Dieses Semester war Ostafrika das Ziel: Kenia, Uganda und Ruanda. Doch was haben die Start-ups dort wirklich zu bieten und wie beurteilen die Karlsruher Studierenden nun die Gründerszene? Wo liegt das Potenzial, wo die Probleme? 


Ein paar Fakten zu unserer Tour

Das Start-up-Ökosystem in Ostafrika blüht auf und ist eines der fortschrittlichsten auf dem Kontinent. Vorne mit dabei: Kenia. Das Land ist seit Jahren der Start-up-Hub in Ost- und Zentralafrika. Doch auch Uganda und Ruanda holen auf. Ein paar Fakten zur Tour, 17 spannende Tage haben wir in Afrika verbracht. Wir sind in Kenia eingeflogen, dann nach Uganda gereist und haben zuletzt ein paar Tage in Ruanda verbracht, von dort sind wir wieder zurück nach Deutschland gereist. Innerhalb Afrikas sind wir ausschließlich Bus gefahren. Wir haben auf der Tour über 25 Start-ups und Start-up-Hubs besucht, haben mit Gründern, Mitarbeitern und Unterstützern der Gründerszene gesprochen. Die Reiseplanung haben wir selbst organisiert, die meisten Kontakte sind über Webrecherche und LinkedIn entstanden.

Herausforderungen und warum gerade die so viel Potential bieten

Die Lebensumstände in Ostafrika führen einerseits zu unglaublichen Herausforderungen, bieten andererseits aber auch unglaubliche Möglichkeiten. Dabei spreche ich über Themen wie Demographie und Bevölkerungswachstum, zurückgebliebene Entwicklung und fehlende Strukturen. Doch was macht diese Gegebenheiten aus und warum könnten gerade diese zu einer besonders florierenden Gründerszene führen? Afrikas Bevölkerung besteht aus ca. 1,3 Milliarden Menschen. Bis 2050 soll sich diese Zahl verdoppeln. Die Bevölkerung wächst aber nicht nur rasant, sondern ist auch sehr jung. Über 40 Prozent der Menschen sind unter 15 Jahre alt. Diese Ausgangssituation kann zu Problemen führen. Allerdings kann die Bevölkerung auch zu einem „demographischen Bonus“ werden, da es viele Menschen im erwerbstätigen Alter gibt und kaum alte Menschen, um die sich gekümmert werden muss. Der demographische Bonus kommt aber nur dann zum Tragen, wenn alle Kinder, die geboren werden, auch die nötige Bildung erhalten und Menschen tatsächlich arbeiten und genug Geld verdienen, um damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und hier liegt oft das Problem, so unser Eindruck.  

Warum Entrepreneurship für Afrika so wichtig ist

Kinder, die eine Kuhherde hüten. Mitten in Nairobi

Fehlende Strukturen und Arbeitslosigkeit führen zu Gründungen aus Notwendigkeit. Jobs werden regelrecht künstlich erschaffen, indem für kleinste Dienstleitungen wie „Tasche im Supermarkt einräumen“ eine Person eingestellt wird. Dass diese Jobs nicht für den Lebensunterhalt ausreichen und zu Frustration führen, ist offensichtlich. Daher versuchen viele Menschen nebenher weiteres Geld zu verdienen. „Die meisten müssen auch abends zusätzlich arbeiten“, erzählte uns ein Gründer in Nairobi. Gegründet wird hier also aus Notwendigkeit. 

Dennoch haben wir viel Hoffnung und Initiative erlebt: Mit dem stabilen Zugang zum Internet ist der Weg zum nötigen Wissen vorhanden. So können aus Problemen Möglichkeiten werden, die mithilfe von Innovation und der Kreativität der Gründer auf eine Weise gelöst werden, die Lösungen aus Industrieländern in Nichts nachstehen. Zusammengefasst war unser Eindruck: Es gibt viele tiefgreifende Probleme und auch viele Menschen, die sie theoretisch lösen könnten, sofern sie die nötige Bildung erhalten. Dass das zum Großteil ein politisches Problem ist, steht außer Frage.  

So sieht die Startup Szene in Afrika aus

Durch einen guten Zugang zum Internet ist Information zugänglich, was wiederum eine gute Ausgangslage für Innovation und eine florierende Gründerszene bietet. Die meisten von uns besuchten Start-ups haben sich mit elementaren Problemen wie Gesundheitsversorgung, Internet Access, Logistik und Transport oder Stromversorgung beschäftigt. Damit bearbeiten sie sehr weitreichende Themen und haben sogar erste Strukturen gelegt. Unser Eindruck war, dass Afrika die Industrialisierung sogar an manchen Stellen regelrecht übersprungen hat. Ob es ein Röntgengerät ist, welches man ans Smartphone anschließen kann oder eine Logistiklösung, die als „Uber für Trucks“ fungiert.  


Die drei Länder im Vergleich

Kenia: fortgeschrittenster Startup Hub

Trotz der Menge an innovativen Lösungen, könnten Kenia, Uganda und Ruanda dennoch nicht unterschiedlicher sein. Sowohl die Mentalität und Kultur, als auch die Entwicklung, die Politik und nicht zuletzt die Gründerszene. Kenia ist aufstrebend und Anlaufstelle für ausländische Investoren, das Bruttoinlandsprodukt ist pro Kopf ist über doppelt so groß als das von Uganda und Ruanda. Außerdem ist die Gründerszene sehr etabliert und die meisten ausländischen Investments gehen dorthin. Zusammengefasst in Stichworten: Wirtschaftshub, Korruption, ausländisches Investment, low-trust und „hustle“, was übersetzt so vielbedeutet wie „hart arbeiten“. Das beschreibt auch die Arbeitsmentalität maßgeblich. Kenias wirtschaftliches Aufstreben hat verschieden Gründe, die Zielstrebigkeit der Menschen ist sicherlich einer davon. Zusätzlich geht ein Großteil der wohlhabenden Bevölkerung für ihr Studium in die USA oder nach Europa. Wir haben kaum Gründer besucht, die ausschließlich Bildung in Afrika genutzt haben. Gründer mit westlicher Prägung bringen Kontakte und vor allem Wissen über die westliche Mentalität mit. Nur so ist es möglich, an Geld aus den USA oder Europa zu kommen. Die Mentalität unterstützt also merklich harte Arbeit und aggressives wirtschaftliches Handeln. Korruption und fehlendes Vertrauen innerhalb der Gesellschaft verhindern allerdings nachhaltige und offene Geschäftsbeziehungen.  

Uganda: The most entrepreneurial country?

In Uganda sieht es wieder völlig anders aus. Wirtschaftlich sicher weniger aufstrebend, dafür lebensfroh und kreativ. „We are the most entrepreneurial country“ haben wir öfters gehört. Außerdem, dass Uganda als eine der glücklichsten Bevölkerungen rankt und auch, dass die Bevölkerung nicht ganz so fleißig sei, hieß es von einer Gründerin scherzhaft, „zumindest im Vergleich zu Kenia“. Unsere Wahrnehmung zeigte Ähnliches. In Kampala, der Hauptstadt, haben wir uns wesentlich sicherer gefühlt als in Nairobi. Die Gründer waren sehr kontaktfreudig und freundlich. Sie haben auch offener über ihre Fehler und Rückschläge gesprochen. Wir haben außerdem eine Inspiration und Hoffnung in den Menschen gespürt, wenn sie von Zielen und Plänen gesprochen haben. Allerdings hatte fast keines der Start-ups in Kampala ein Investment. Ausländische Investoren gibt es kaum und inländische investieren ihr Geld lieber in konventionellere Anlagen wie den Immobilienmarkt. Das Geld ist da, aber es landet nicht bei den Start-ups.  

Ruanda: neue Strukturen und rasante Veränderungen

Dieses Problem ist nicht nur in Uganda, sondern auch in Ruanda allgegenwärtig, einem kleinen Land voller Veränderungen und uns nochmal eine ganz andere Seite von Ost Afrika zeigte. Last stop Kigali. Vor 25 Jahren hat in Ruanda der Völkermord stattgefunden, bei dem wahrscheinlich bis zu eine Million Menschen der Völkergruppe Tutsi von Anhängern der Hutus ermordet wurden. Das Land lag brach, die Bevölkerung war traumatisiert und kulturell zerstört. Seit nun fast 20 Jahren ist Präsident Paul Kagame an der Macht. Sein Ziel: Ruanda soll das Singapur Afrikas werden. Mit einer strikten Versöhnungskultur, zielorientierter Politik, einem Sozialsystem und Gesetzen, die tatsächlich ausgeführt werden, ist er auf einem guten Weg. Die Straßen sind neu und alle Häuser sind gemauert. Alles wirkt geordnet und ruhig. Eine Firma zu gründen, könnte wohl nicht leichter sein. Das Ausfüllen eines Formulars reicht aus, um ein eingetragenes Unternehmen zu sein. Das geordnete Leben erinnert tatsächlich eher an Singapur, trotzdem bleiben die Geschäftsmöglichkeiten des afrikanischen Marktes erhalten. Mit diesen Voraussetzungen ist Ruanda auch ein Anziehungspunkt für Gründer aus Europa oder den USA. Investments für einheimische Gründer sind allerdings auch hier Mangelware.   


Unser Fazit

Fazit unserer Reise durch Ostafrika: Die Region braucht dringend Geld und Bildung. Bildung, damit der demographische Bonus zum Tragen kommt und Geld, damit die Geschäftsideen auch flächendeckend umgesetzt werden können. Besonders in der Seed Phase fehlt es an Investment, da die Lücke zwischen einer validierten Idee und der wirklichen Umsetzung nicht geschlossen werden kann. In der industrialisierten Welt wird bei einem Seed Investment über 100 000 bis 500 000 Euro verhandelt, in Ostafrika wären 10 000 Euro für ein Start-up in dieser Phase schon ausreichend. Momentan fließen einige der Gelder in Inkubatoren und Hubs, die Büroräume, Workshops etc. bieten. Viel hilfreicher wäre es aber, wenn das Geld unmittelbar in lokale Start-ups investiert würde, wurde uns oft gesagt. Dafür wären allerdings ein Netzwerk aus Botschaftern vor Ort nötig, die den Markt sehr gut kennen und vielversprechende Start-ups aussuchen und fördern könnten. Das ist aber sehr aufwändig und am Ende gäbe es nicht mit Sicherheit ein vorzeigbares Projekt. Was sich mit Sicherheit sagen lässt ist, dass man Gründern und dem Markt auf Augenhöhe begegnen muss. In Ostafrika liegt viel ökonomisches Potenzial und dieses wird nur mit aufrichtigen und nachhaltigen Wirtschaftsbeziehungen gefördert. Besonders im Hinblick auf die Zukunft lohnt es sich, Afrika nicht als einen zurückgebliebenen Kontinent zu betrachten, sondern als Ort, an dem man Geschäftsmöglichkeiten und Partner findet. Und vor allem eine Menge neuer und kreativer Ideen. 

Auflistung und Links zu den Start-ups und mehr Infos: tour.pioniergarage.de